Wie viel Auslastung braucht ein Welpe einer Arbeitsrasse?
Ich bekomme immer mehr „Working Dogs“ in meine Welpenstunden. Belgische Schäferhunde, Border Collies, Australian Shepherds (Aussis) und Co., ebenso alle möglichen Mischlinge solcher Rassen. Sie erfreuen sich größter Beliebtheit. Diese Hunde lernen schnell, wollen dem Menschen gefallen und sehen auch noch sehr hübsch aus – klingt alles ganz einfach.
Doch dann ist das kleine Fellknäuel im neuen Zuhause und man trifft die ersten anderen Besitzer oder liest sich schlau. „Arbeitshunde brauchen enorm viel Bewegung und Auslastung!“, hören und lesen die Welpenbesitzer immer wieder. Doch stimmt das überhaupt?
Erstmal gilt: Ein „Working Dog“ ist auch nur ein Welpe. Auch diese müssen ebenso das kleine 1×1 lernen und sich in dieser Welt zurecht finden, wie alle anderen auch. Darum gelten auch ebenso die gleichen Regeln. Die wichtigste davon:
RUHE!
Gerade Arbeitshunde und Co. arbeiten sehr schnell und haben quasi immer Lust auf Action. Genau das gilt es zu bremsen. Bei einem Hund sollte man in den ersten Monaten vor allem die Schwächen ausgleichen und ihm helfen, diese zu Stärken auszubauen.
Ich muss einen Malinois nicht sagen, dass er in Raketentempo ein Verhalten ausführen soll, das kommt von ganz alleine. Stundenlang ruhig schlafen oder liegen, wird dafür eher ein schwierigeres Thema sein.
Welpen sollten ca. 22h am Tag schlafen und Ruhen
Das macht aber viel weniger Spaß als Spielchen mit den Bezugspersonen oder anderen Hunden. Wenn ich ein Kind frage, ob es lieber in den Freizeitpark gehen möchte oder Zuhause ein Mittagsschläfchen machen, was wird es wohl antworten?
Eltern kennen den Spruch: „Nach Müde kommt Blöd“. Das gilt nicht nur für die Zwei-, sondern auch die Vierbeiner. Wenn der Welpe so richtig kaputt ist (vor allem mental), dreht er nochmal richtig auf und kommt nur schlecht runter.
Dann denken sich viele Hundehalter, dass der Welpe sicherlich nicht ausgelastet sei und steigern weiter die Beschäftigung. So beginnt der Teufelskreis. Der Hund „braucht“ immer mehr Input um ruhig zu sein. Doch wo soll das noch hingehen? Soll der Hund als erwachsenes Tier 8h am Tag beschäftigt werden? Für die meisten zeitlich gar nicht schaffbar.
Warum brauchen Welpen so viel Ruhe?
Im Schlaf verarbeiten die Kleinen alle Eindrücke des Tages. Das Gehirn versucht mit den Reizen umzugehen und sich dementsprechend zu strukturieren. Schläft ein Welpe zu wenig, bricht diese wichtige Entwicklung weg bzw. artet in die falsche Richtung aus. Als Beispiel: Der Hund bildet schon im sehr jungen Alter ein riesiges Dopamin-Netzwerk in seinem Gehirn aus. Dopamin ist ein „Belohnungshormon“ das sehr mächtig ist und süchtig machen kann. So drillt man schon das Baby dazu, immer wieder wie ein Junky nach seinem nächsten Kick zu suchen.
Auch die Gelenke sind ein enorm wichtiger Punkt: viele Kochen und Knochenteile sind erst spät fertig entwickelt. In den Hinterbeinen ist dies beispielsweise bei vielen Rassen erst mit 15-16 Monaten abgeschlossen. Werden sie vorher schon zu sehr beansprucht, kann sich das sehr negativ auswirken. Oft fällt dies den Haltern aber erst auf, wenn es zu spät ist oder es wird als „bei der Rasse XY ist das normal“ abgestempelt.
Aus diesen Problemen heraus entwickeln sich dann die ersten Verhaltensauffälligkeiten. Bei einem Welpen ist das noch recht niedlich, ab dem Junghundalter wird es aber zusehends unangenehmer. Der kleine Hund durfte noch den Radfahrer jagen und wurde belächelt, bei dem 20kg-Tier findet das keiner mehr witzig – um nur ein Beispiel von vielen zu nennen.
Doch wie schafft man es nicht in diese Falle zu tappen?
Als Welpenbesitzer sollte man für viel Ruhe sorgen. Kurze Spaziergänge sind gerade in den ersten Wochen sehr wichtig. Die Regel „pro Lebensmonat 5 Minuten“ empfinde ich für den Alltag als sehr passend. Nach jedem aufregenden Szenario wie z.B. Hundeschule, Stadtbesuch, Besuch von vielen Menschen, usw. sollte eine extra Pause eingeschoben werden. Die oben genanneten 22h pro Tag wären perfekt, sind sicherlich aber nicht immer leicht einzuhalten. Dennoch sollte man wirklich versuchen, sehr nah an diese Zahl zu kommen.
Ich rate vielen Kunden dazu, eine Box oder ähnliches also Ruhe- und Rückzugsort aufzubauen, die man in solchen Situationen nutzen kann. Der Kennel soll keineswegs ein Gefängnis sein, sondern wie eine sichere Höhle funktionieren. Alles natürlich kleinschrittig trainiert, ohne wegsperren oder anderen Angst einflößenden Methoden.
Außerdem sollte auf die ständige Frage nach Action des Hundes nicht immer eingegangen werden. Wenn der Welpe ignoriert statt animiert wird, fällt ein wichtiger Verstärker weg. Er wird das Verhalten also weniger zeigen.
Ruhige Beschäftigungen sind auch empfehlenswerter als wilde Spiele. Der Welpe sollte sich lieber ein wenig Futter erschnüffeln oder eine Kaustange knabbern, statt dem Ball hinterher zu laufen.
Sicherlich gibt es noch viele andere tolle Hilfsmittel und Trainingstipps, dies soll ja auch nur ein kleiner Einblick sein. Die Welpenzeit ist einfach enorm wichtig und ich hoffe, dass ich mit diesem Artikel ein paar Arbeitshund-Besitzern ein wenig den Druck nach immer mehr Auslastung nehmen konnte. Schnelligkeit und Ausdauer bringen diese Rassen eh mit, wir müssen genau das Gegenteil fördern.
Ich wünsche Dir viel Freude, eine gesunde und entspannte Zeit mit Deinem Welpen,
Deine Lina
Autorin: Lina Stranghöner